Psychotherapeutische Praxis  Ralph Dengel
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Ein schulenübergreifendes, integratives Therapiekonzept

 

Der Markt der Psychotherapie mag so manchen Suchenden verwirren: „Warum sollte es Sinn machen“, so die naheliegende Frage, „die Einheit von Leben, Seele, Körper und Geist, von bewussten und unbewussten Prozessen zu zerlegen und auf die Perspektiven verhaltenstherapeutischer, psychodynamischer, systemischer, gestaltpsychologischer und anderer Verfahren aufzuteilen?

 

Seit der Herausbildung der modernen Naturwissenschaften gilt es als Tugend der Forschung, sich mit spezifischen Einzelproblemen zu befassen. Die Gefahr eines solchen Wissenschaftsverständnisses ist jedoch die Zersplitterung von Zusammenhängen: Der Blick für das große Ganze geht auf diese Weise verloren. Auch für das Gebiet der Psychotherapie gilt, dass die verschiedenen Schulen einerseits zwar wertvolle Erkenntnisse beisteuern, andererseits durch ihre reduzierten Perspektiven in sich beschränkt sind.

 

Das Gebot der Stunde, das sich aus der Psychotherapieforschung der letzten Jahrzehnte ableiten lässt, ist der Appell an den Psychotherapeuten, ideologische Scheuklappen abzuwerfen. Die Hirnforschung hat die Angemessenheit vieler Grundannahmen sowohl der Psychoanalyse (z.B. die Bedeutung der eigenen Biographie für das gegenwärtige Erleben, des Unbewussten und des Wiederholungszwangs) als auch der Verhaltenstherapie (z.B. die Bedeutung von Lernprozessen, von Trainings- und Übungselementen) bestätigt und deshalb ist es für mich als Psychotherapeuten wichtig, mich an jenen schulenübergreifenden Ansätzen zu orientieren, die eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen und seines Seelenlebens anstreben. Klaus Grawes „Psychologische Therapie“ und Jeffrey Youngs „Schematherapie“ sind Konzepte, die aus einem solchen Integrationswunsch hervorgegangen sind und die vielfältigen Erkenntnisse verschiedener Ansätze zusammenführen. Mit der schulenübergreifenden Verhaltenstherapie ist eine Behandlung möglich, die sowohl einen psychodynamischen-verstehenden Zugang zum Menschen verwirklicht (wie in den tiefenpsychologisch und analytisch fundierten Therapieverfahren) als auch einen problemlösungs- und handlungsorientierten (wie in der Verhaltenstherapie).

 

Bevor die Psychologie sich als Einzelwissenschaft etablierte, war sie schon auf höchstem Niveau in den Religionen, in Mythen und Märchen, in der Philosophie, der Oper und der Literatur beheimatet und lebendig. Diese Geschichten mit ihrem reichen Schatz an Spiritualität, Erfahrung und Weisheit sind für mich ebenfalls ein wesentlicher Bezugspunkt meiner therapeutischen Arbeit, liefern sie doch eine Fülle von Bildern und Mustern menschlichen Denkens, Fühlens und Handelns, die jeden Suchenden mit neuer Kraft und frischen Gedankenmotiven zu beschenken vermögen.

 

Als Menschen leiden wir oft an unseren eigenen Erwartungen und Ansprüchen, die unser Handeln bestimmen, ohne uns jedoch eine gesunde und ausgeglichene Bedürfnisbefriedigung zu ermöglichen. Solche „Introjekte“ gilt es im therapeutischen Prozess zu erkennen, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern. Oft sind unsere Lebensleitlinien und Bewertungen Erbe unserer Biographie, der Kindheit und Jugend. Aber auch unsere Gesellschaft vermittelt sie: Nicht umsonst nehmen Burnout und Stresserkrankungen aller Art dramatisch zu. Wir leben in einer Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft, in der das Funktionieren-Müssen im Vordergrund steht und der Aspekt, dass der Mensch ein verletzliches, bedürftiges und nach Sinn suchendes Wesen ist, vernachlässigt wird. Auch solche Rahmenbedingungen, die uns als vergesellschaftete Wesen prägen, sind wichtig und bedürfen in einem therapeutischen Prozess gegebenenfalls der Reflexion.

 

Die „Kunst“ der Psychotherapie besteht darin, zusammen mit dem Patienten aus dem breiten Spektrum an Methoden, das den integrativen verhaltenstherapeutischen Ansatz kennzeichnet, gemeinsam diejenigen auszuwählen und anzuwenden, die zu seiner Persönlichkeit, seiner Situation und zu seinen Bedürfnissen passen. Dabei entsteht ein Weg der Genesung, der so individuell ist, wie der Lebensweg und die Persönlichkeit eines jeden Menschen. Die Leitlinie meiner Behandlung ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, Transparenz im Vorgehen zu schaffen, psychologisches Wissen zu vermitteln und mit dem Patienten durch den Bezug zu seiner Biografie, sowohl zu einem Verständnis seines Leidens zu gelangen als auch einen Zugang zu dessen Überwindung. Dabei liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Hier und Jetzt, im aktuellen Erleben und Verhalten und darauf, Konzepte zu vermitteln, die Gesundheit und Lebendigkeit erzeugen, die zu Anpassungsfähigkeit aber auch Durchsetzungsvermögen befähigen, die Genuss verschaffen und die die Persönlichkeit entwicklungs- und kontaktfähig halten. Authentizität, Genauigkeit, Klarheit und Wertschätzung sind mir in meiner Arbeit besonders wichtig.

 

Schließlich steht für mich als Psychotherapeut die Individualität eines Menschen im Vordergrund, nicht seine Diagnose. Der Prozess des Gesundens ist etwas Tiefergehendes und Umfassenderes als die Überwindung einer Diagnose!